Texte
Astrid Volpert: Zur Eröffnung der Ausstellung DUELL von Wolfgang Zandt im Kunstverein
Centre Bagatelle, Berlin-Frohnau
Bildarchitekturen voller Schönheit und Schrecken
Willkommen zu abendländischen wie auch globalen Bildgedanken, zu den Bildarchitekturen von Wolfgang
Zandt, einem jungen Berliner Maler, der aus dem fernen Regensburg stammt. Er studierte sieben Jahre
an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und schob seinem Diplomzeugnis 2010 noch ein
Meisterschülerjahr bei Prof. Werner Liebmann nach. Dieser Lehrer war und bleibt eine wichtige
Bezugsperson für Wolfgang Zandt, auch wenn der Jüngere sich längst freigeschwommen hat und ein
eigenständiges, unabhängiges Programm verfolgt.
Wir können sein PNEUMA der Malerei in diesen Räumen des Kulturhauses anhand von sechs großformatigen,
großartig geformten Leinwänden und in vier kleineren Gemälden kennenlernen, die in den letzten zwei
Jahren entstanden sind. Dazu gibt er im Obergeschoß Einblicke in seine Radierkunst. Doch dazu etwas
später. Der Malerei gebührt diesmal Vorrang, die Raumhöhen dieser Villa lassen glücklicherweise den
dominierenden Auftritt der Gemälde zu.
Wolfgang Zandt kündigt im Ausstellungstitel ein DUELL an. Ich finde: Er hat untertrieben, es sind
mehrere DUELLE. Das Wort Kämpfe benutzt er ungern, vielleicht weil es zu militant klingt, zu
verbraucht in unserem medial aufgeheizten Sprachalltag des 21. Jahrhunderts. Die Generation vor ihm
scheint ohnehin müde vom permanenten Kämpfen. Duell, das klingt frischer, sachlicher, sportlicher,
eben spannender. Es beinhaltet zudem das wichtige spielerische Element, Lust auf Streit und
Auseinandersetzung. Doch vergessen wir nicht, auch beim Duell geht es um Sieg oder Niederlage,
vielleicht sogar um Fortbestand oder Untergang.
Konkrete Geschichten erzählt Wolfgang Zandt nicht. Seine Bilder widmen sich unterschiedlichen
Lebensvorgängen oder Vorstellungen, den Visionen wie Alpträumen unserer globalen Welt, die tagtäglich
die Bewohner des Planeten Erde in Atem hält. In der Internetwelt spielen die realen Entfernungen zu
den authentischen Orten kaum eine Rolle; man kann blitzschnell in ein Geschehen einsteigen und sich
ebenso schnell wieder ausklicken.
Bei Zandts Gemälden (und auch den Graphiken) möchte man eher verweilen. Doch die Bilder der
Wahrnehmung überlagern sich, schneller als uns lieb ist. An manche Realereignisse und Dinge haben wir
uns derart gewöhnt bzw. sie sind so makaber, dass wir sie mitunter verdrängen oder gern dem Vergessen
anheimstellen würden. Für eine Weile gelingt das. Doch dann holen einen die Fakten, die Realbilder
von diesem oder einem anderen Ort bzw. Ereignis wieder ein, verknüpfen sich im Kopf mit neuen
Beispielen: nukleare und Naturkatastrophen, Bürgerkriege, Umstürze bestehender Ordnungen. Gefühltes
Chaos überall. Aus Chaos wächst neue Ordnung, davon ist W. Zandt überzeugt.
Kunst ist in ihrer Produktion durch die Jahrhunderte ein glänzender Verwerter von Verwerfungen, von
menschlichen Krisen und Kriegen. Zeitgenössische Künstler profitieren, ob sichtbar oder versteckt,
bewusst oder unbewusst von Bildstoffen, Instrumentarien und Materialien ihrer Vorgänger.
Das appellativ aufflammende Rot in Wolfgang Zandts auf der Einladungskarte abgebildetem Gemälde
„Okzident“ erinnerte mich spontan an die Farbenglut von Hans Grundigs öllenszenario des brennenden
Dresden. Der ruhige, reflektierende Fluss des dramatischen Bildgeschehens bei Zandt kommt in der
Erinnerung meines Bildervorrats dem Farbensog des modernen, später in zwei Diktaturen verfemten Dix-
Schülers nahe. Wenngleich ich nicht davon ausging, dass der jüngere Maler denselben Impuls wie ich
hatte, war ich zumindest erstaunt, dass er die Vorlage kannte. Auch Zandts Malerei ist nachdenklich,
aber nicht still. Sie lässt Zweifel zu, ohne pessimistisch oder sentimental zu werden, nicht mal bei
einem Thema wie DÄMMERUNG.
Dort ist Poesie wie weggeblasen. Es blitzt und zuckt gelb-grün: ein Aufbruch aus Starre und Dunkel.
Dann gibt es auch Stoffe und Momente, wo den Künstler die witzige, ironisch-hintergründige Denk-
und Malweise packt. Wir entdecken sie spätestens, wenn wir seinem blauen GOLFPALAST voller bunter
Farbflecken und -spritzer gegenüberstehen.
Man kann dieses Gemälde vielleicht als den Solisten der Schau bezeichnen. Anstoß für seine Entstehung
war die Geschichte vom in Ungnade gefallenen Kulturhaus der einstigen ostdeutschen Republik in der
neuen Mitte Berlins. Die Duelle um dessen Bewahrung bzw. Abriss zugunsten der Widerauferstehung einer
ziemlich antiquierten, deplatzierten Schlossidee erscheinen dem hinzugezogenen jüngeren Beobachter
als das Bild einer jahrelang zwischen Abriss und Umnutzung schwankenden clownesk-lebendigen, irren
Baustelle.
Bemerkenswert bei der Umsetzung des Bildgedankens ist der massive Einsatz zeitgenössischer Mittel.
Neben Pinselauftrag mit Acryl- und Ölfarben kommt die Sprühdose zum Einsatz. Zandt schleudert an ganz
bestimmten Stellen den Farblack auf die Bildfläche, der Teile der Malhaut glättet und verschließt,
andere Zonen wie offene Wunden brüchig-porös erscheinen lässt.
Zandts stets bewegte, durchstrukturierte Bildräume leuchten und lodern bei all seinen Themen und
Bildstoffen aus ihrem Innersten, dem Kern. So als habe er wortwörtlich Öl ins Feuer gegossen, schießt
im TURM ZU MVALLEY gleißendes gelbes Licht in den Umkreis. Der Maler heizt die Situation mit solchen
Farbstrudeln explosiv an, um sie danach mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln, den Eingebungen
der Farbe und Formen, wieder in ruhigere Bahnen zu lenken. Und es gelingt ihm tatsächlich, mit kühlem
Kalkül wie virtuoser Wut oder Ironie, das entfesselte Chaos im Gestus des Gesamtbildes unter
Kontrolle zu bringen, in eine neue Ordnung zu führen.
Selbst NECROPOLIS, der surreale, gespenstische Friedhof des Geistes, bleibt als starkes
künstlerisches Zeichen der Mahnung ein aktives, optimistisches Bild.
Diese Gemälde sind fast alle nach dem gleichen Prinzip komponiert: Zentrum und Peripherie stehen
sich gegenüber, wenngleich das Zentrum von Werk zu Werk an einen anderen Ort wandert, was auch dafür
sorgt, dass der Betrachter keine ermüdenden Wiederholungen spürt. Stattdessen bieten sich unendlich
viele Augenreize zwischen Schönheit und Schmerz. Kann Kunst, die Schreckliches aufscheinen lässt,
als schön, ästhetisch schön empfunden werden? Wolfgang Zandt ist sich der Ambivalenz und Bedeutung
dieser Frage bewusst und bejaht sie. Im Grunde genommen, so meint er, ist genau dies ihre, bzw.
seine Chance, Sehen und Denken adäquat in seinen Werken auszudrücken.
Einerseits zieht er klare Grenzen - zwischen Kunstwelten und dokumentarischer Realität, zwischen dem
Prinzip der Zerstörung und dem des Aufbaus. Andererseits gibt es auch im fertigen Bild keine pure
Harmonie. Selbst wenn die Gefahr im Umfeld des Kerns nun gebannt erscheint, stiften z. B. giftig-
rüne Farbbänder und -kreise, die sich ihren Weg nach draußen bahnen, genügend Unruhe und Unbehagen.
(NAPALM)
Zandts Bildern wohnt eine komplexe, universelle Sicht inne, ohne sich in der Aussage festlegen zu
müssen. Er staune immer wieder, welche unterschiedlichen Interpretationen ihm die Betrachter seiner
Werke offerieren. Interessant aber auch irritierend sei es für ihn,, wenn sie in den größtenteils
abstrakten Strukturen auch Figuren erkennen. Freilich, Gegenstände bzw. Zeichen wie u. a. Palme und
das Rad oder der Turm, die habe er bewusst gesetzt. Gestalten in seinen Bildräumen zu verankern, das
aber habe er nicht bezweckt. Und sollte es ihm doch unterlaufen sein im langen Laufe der Malzeit,
dann würde er es gewiss merken und gegensteuern. Einen bestimmten Stil jedenfalls wolle er seinen
Werken nicht vorgeben. Da halte er es gern mit Gerhard Richter, der sagt e: „Meine Bilder sind klüger
als ich“.
Ohne jeden Zweifel – Zandts Bilder sind vom Zentrum bis in die peripheren Ränder nicht nur sicher
gebaut, sie sind expressiv, wandelbar, individuell. Der Maler simuliert mit fast philosophischer
Eingebung den globalen Wahnsinn. Er charakterisiert Vorgänge, bei denen sich Staus oder festgefahrene
Strukturen mitunter gewaltsam auflösen und so auch die Chance für die Entstehung von Neuem bieten.
In seinem Fall – ein neues Bild.
Aufmerksam geworden bin ich auf Wolfgang Zandt vor mehr als einem Jahr, als er mit Studenten der
Weißenseer Kunsthochschule in der Galerie im Turm in Friedrichshain Druckgraphik präsentierte.
Seine fünf schwarz-weißen metaphorischen Landschaften hingen im Zentrum des Raums. Für mich
bedeuteten sie Entre wie auch Finale des Abenteuerlands Druckgraphik, eine impulsive Kunst der
schwarzweißen Kontraste auf Büttenpapier. Deshalb freue ich mich, dass einige dieser in der
Ätztechnik mit kalter Nadel und als Aquatinta ausgeführten Radierungen auch hier zu sehen sind.
Sie verweisen im prallen Zeichenvokabular, der extremen Verschränkung von Ebenen und in der enormen
Informationsdichte auf ihre eigenständige Existenz, sind keine Entwürfe bzw. Nachwehen seiner Bilder.
Im Zeichenvorrat geistert neben dem alten Kinderspiel MIKADO, dessen Funktionsweise er für die
Struktur eines Blattes wählt, auch MONUMENTVALLEY. Es handelt sich um ein Gebiet von Tafelbergen auf
der Grenze zwischen Utah und Arizona. Zandt weiß: Die Gegend gilt als einträchtiges Werbegebiet, sie
ist die Wild-Westkulisse für Touristen und Filmer. Dort drehte Ford seine Western und später Sergio
Leone „Spiel mir das Lied vom Tod“. Warum sollte sie also nicht auch seiner Turm-Radierung und dem
JACKPOT nützlich sein?
Der Künstler hält seinen Schmelztiegel der Kollisionen und Mutationen mit der permanenten Transfusion
expandierender Linien, Flecken und Farben am Kochen. Zugegeben: Es verschlägt einem ein wenig den
Atem ob der gesteigerten Turbulenz und Virulenz all dieser Gedanken und Bilder. Doch der auch in
Mathematik, Physik, Informationstheorie und Sozialwissenschaften bewanderte „Jungmeister“ wird - um
im hier literarischen Bild zu bleiben - , der Geister, die er rief, am Schluss souverän Herr.
Überzeugen Sie sich selbst!
Bildarchitekturen voller Schönheit und Schrecken
Willkommen zu abendländischen wie auch globalen Bildgedanken, zu den Bildarchitekturen von Wolfgang
Zandt, einem jungen Berliner Maler, der aus dem fernen Regensburg stammt. Er studierte sieben Jahre
an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und schob seinem Diplomzeugnis 2010 noch ein
Meisterschülerjahr bei Prof. Werner Liebmann nach. Dieser Lehrer war und bleibt eine wichtige
Bezugsperson für Wolfgang Zandt, auch wenn der Jüngere sich längst freigeschwommen hat und ein
eigenständiges, unabhängiges Programm verfolgt.
Wir können sein PNEUMA der Malerei in diesen Räumen des Kulturhauses anhand von sechs großformatigen,
großartig geformten Leinwänden und in vier kleineren Gemälden kennenlernen, die in den letzten zwei
Jahren entstanden sind. Dazu gibt er im Obergeschoß Einblicke in seine Radierkunst. Doch dazu etwas
später. Der Malerei gebührt diesmal Vorrang, die Raumhöhen dieser Villa lassen glücklicherweise den
dominierenden Auftritt der Gemälde zu.
Wolfgang Zandt kündigt im Ausstellungstitel ein DUELL an. Ich finde: Er hat untertrieben, es sind
mehrere DUELLE. Das Wort Kämpfe benutzt er ungern, vielleicht weil es zu militant klingt, zu
verbraucht in unserem medial aufgeheizten Sprachalltag des 21. Jahrhunderts. Die Generation vor ihm
scheint ohnehin müde vom permanenten Kämpfen. Duell, das klingt frischer, sachlicher, sportlicher,
eben spannender. Es beinhaltet zudem das wichtige spielerische Element, Lust auf Streit und
Auseinandersetzung. Doch vergessen wir nicht, auch beim Duell geht es um Sieg oder Niederlage,
vielleicht sogar um Fortbestand oder Untergang.
Konkrete Geschichten erzählt Wolfgang Zandt nicht. Seine Bilder widmen sich unterschiedlichen
Lebensvorgängen oder Vorstellungen, den Visionen wie Alpträumen unserer globalen Welt, die tagtäglich
die Bewohner des Planeten Erde in Atem hält. In der Internetwelt spielen die realen Entfernungen zu
den authentischen Orten kaum eine Rolle; man kann blitzschnell in ein Geschehen einsteigen und sich
ebenso schnell wieder ausklicken.
Bei Zandts Gemälden (und auch den Graphiken) möchte man eher verweilen. Doch die Bilder der
Wahrnehmung überlagern sich, schneller als uns lieb ist. An manche Realereignisse und Dinge haben wir
uns derart gewöhnt bzw. sie sind so makaber, dass wir sie mitunter verdrängen oder gern dem Vergessen
anheimstellen würden. Für eine Weile gelingt das. Doch dann holen einen die Fakten, die Realbilder
von diesem oder einem anderen Ort bzw. Ereignis wieder ein, verknüpfen sich im Kopf mit neuen
Beispielen: nukleare und Naturkatastrophen, Bürgerkriege, Umstürze bestehender Ordnungen. Gefühltes
Chaos überall. Aus Chaos wächst neue Ordnung, davon ist W. Zandt überzeugt.
Kunst ist in ihrer Produktion durch die Jahrhunderte ein glänzender Verwerter von Verwerfungen, von
menschlichen Krisen und Kriegen. Zeitgenössische Künstler profitieren, ob sichtbar oder versteckt,
bewusst oder unbewusst von Bildstoffen, Instrumentarien und Materialien ihrer Vorgänger.
Das appellativ aufflammende Rot in Wolfgang Zandts auf der Einladungskarte abgebildetem Gemälde
„Okzident“ erinnerte mich spontan an die Farbenglut von Hans Grundigs öllenszenario des brennenden
Dresden. Der ruhige, reflektierende Fluss des dramatischen Bildgeschehens bei Zandt kommt in der
Erinnerung meines Bildervorrats dem Farbensog des modernen, später in zwei Diktaturen verfemten Dix-
Schülers nahe. Wenngleich ich nicht davon ausging, dass der jüngere Maler denselben Impuls wie ich
hatte, war ich zumindest erstaunt, dass er die Vorlage kannte. Auch Zandts Malerei ist nachdenklich,
aber nicht still. Sie lässt Zweifel zu, ohne pessimistisch oder sentimental zu werden, nicht mal bei
einem Thema wie DÄMMERUNG.
Dort ist Poesie wie weggeblasen. Es blitzt und zuckt gelb-grün: ein Aufbruch aus Starre und Dunkel.
Dann gibt es auch Stoffe und Momente, wo den Künstler die witzige, ironisch-hintergründige Denk-
und Malweise packt. Wir entdecken sie spätestens, wenn wir seinem blauen GOLFPALAST voller bunter
Farbflecken und -spritzer gegenüberstehen.
Man kann dieses Gemälde vielleicht als den Solisten der Schau bezeichnen. Anstoß für seine Entstehung
war die Geschichte vom in Ungnade gefallenen Kulturhaus der einstigen ostdeutschen Republik in der
neuen Mitte Berlins. Die Duelle um dessen Bewahrung bzw. Abriss zugunsten der Widerauferstehung einer
ziemlich antiquierten, deplatzierten Schlossidee erscheinen dem hinzugezogenen jüngeren Beobachter
als das Bild einer jahrelang zwischen Abriss und Umnutzung schwankenden clownesk-lebendigen, irren
Baustelle.
Bemerkenswert bei der Umsetzung des Bildgedankens ist der massive Einsatz zeitgenössischer Mittel.
Neben Pinselauftrag mit Acryl- und Ölfarben kommt die Sprühdose zum Einsatz. Zandt schleudert an ganz
bestimmten Stellen den Farblack auf die Bildfläche, der Teile der Malhaut glättet und verschließt,
andere Zonen wie offene Wunden brüchig-porös erscheinen lässt.
Zandts stets bewegte, durchstrukturierte Bildräume leuchten und lodern bei all seinen Themen und
Bildstoffen aus ihrem Innersten, dem Kern. So als habe er wortwörtlich Öl ins Feuer gegossen, schießt
im TURM ZU MVALLEY gleißendes gelbes Licht in den Umkreis. Der Maler heizt die Situation mit solchen
Farbstrudeln explosiv an, um sie danach mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln, den Eingebungen
der Farbe und Formen, wieder in ruhigere Bahnen zu lenken. Und es gelingt ihm tatsächlich, mit kühlem
Kalkül wie virtuoser Wut oder Ironie, das entfesselte Chaos im Gestus des Gesamtbildes unter
Kontrolle zu bringen, in eine neue Ordnung zu führen.
Selbst NECROPOLIS, der surreale, gespenstische Friedhof des Geistes, bleibt als starkes
künstlerisches Zeichen der Mahnung ein aktives, optimistisches Bild.
Diese Gemälde sind fast alle nach dem gleichen Prinzip komponiert: Zentrum und Peripherie stehen
sich gegenüber, wenngleich das Zentrum von Werk zu Werk an einen anderen Ort wandert, was auch dafür
sorgt, dass der Betrachter keine ermüdenden Wiederholungen spürt. Stattdessen bieten sich unendlich
viele Augenreize zwischen Schönheit und Schmerz. Kann Kunst, die Schreckliches aufscheinen lässt,
als schön, ästhetisch schön empfunden werden? Wolfgang Zandt ist sich der Ambivalenz und Bedeutung
dieser Frage bewusst und bejaht sie. Im Grunde genommen, so meint er, ist genau dies ihre, bzw.
seine Chance, Sehen und Denken adäquat in seinen Werken auszudrücken.
Einerseits zieht er klare Grenzen - zwischen Kunstwelten und dokumentarischer Realität, zwischen dem
Prinzip der Zerstörung und dem des Aufbaus. Andererseits gibt es auch im fertigen Bild keine pure
Harmonie. Selbst wenn die Gefahr im Umfeld des Kerns nun gebannt erscheint, stiften z. B. giftig-
rüne Farbbänder und -kreise, die sich ihren Weg nach draußen bahnen, genügend Unruhe und Unbehagen.
(NAPALM)
Zandts Bildern wohnt eine komplexe, universelle Sicht inne, ohne sich in der Aussage festlegen zu
müssen. Er staune immer wieder, welche unterschiedlichen Interpretationen ihm die Betrachter seiner
Werke offerieren. Interessant aber auch irritierend sei es für ihn,, wenn sie in den größtenteils
abstrakten Strukturen auch Figuren erkennen. Freilich, Gegenstände bzw. Zeichen wie u. a. Palme und
das Rad oder der Turm, die habe er bewusst gesetzt. Gestalten in seinen Bildräumen zu verankern, das
aber habe er nicht bezweckt. Und sollte es ihm doch unterlaufen sein im langen Laufe der Malzeit,
dann würde er es gewiss merken und gegensteuern. Einen bestimmten Stil jedenfalls wolle er seinen
Werken nicht vorgeben. Da halte er es gern mit Gerhard Richter, der sagt e: „Meine Bilder sind klüger
als ich“.
Ohne jeden Zweifel – Zandts Bilder sind vom Zentrum bis in die peripheren Ränder nicht nur sicher
gebaut, sie sind expressiv, wandelbar, individuell. Der Maler simuliert mit fast philosophischer
Eingebung den globalen Wahnsinn. Er charakterisiert Vorgänge, bei denen sich Staus oder festgefahrene
Strukturen mitunter gewaltsam auflösen und so auch die Chance für die Entstehung von Neuem bieten.
In seinem Fall – ein neues Bild.
Aufmerksam geworden bin ich auf Wolfgang Zandt vor mehr als einem Jahr, als er mit Studenten der
Weißenseer Kunsthochschule in der Galerie im Turm in Friedrichshain Druckgraphik präsentierte.
Seine fünf schwarz-weißen metaphorischen Landschaften hingen im Zentrum des Raums. Für mich
bedeuteten sie Entre wie auch Finale des Abenteuerlands Druckgraphik, eine impulsive Kunst der
schwarzweißen Kontraste auf Büttenpapier. Deshalb freue ich mich, dass einige dieser in der
Ätztechnik mit kalter Nadel und als Aquatinta ausgeführten Radierungen auch hier zu sehen sind.
Sie verweisen im prallen Zeichenvokabular, der extremen Verschränkung von Ebenen und in der enormen
Informationsdichte auf ihre eigenständige Existenz, sind keine Entwürfe bzw. Nachwehen seiner Bilder.
Im Zeichenvorrat geistert neben dem alten Kinderspiel MIKADO, dessen Funktionsweise er für die
Struktur eines Blattes wählt, auch MONUMENTVALLEY. Es handelt sich um ein Gebiet von Tafelbergen auf
der Grenze zwischen Utah und Arizona. Zandt weiß: Die Gegend gilt als einträchtiges Werbegebiet, sie
ist die Wild-Westkulisse für Touristen und Filmer. Dort drehte Ford seine Western und später Sergio
Leone „Spiel mir das Lied vom Tod“. Warum sollte sie also nicht auch seiner Turm-Radierung und dem
JACKPOT nützlich sein?
Der Künstler hält seinen Schmelztiegel der Kollisionen und Mutationen mit der permanenten Transfusion
expandierender Linien, Flecken und Farben am Kochen. Zugegeben: Es verschlägt einem ein wenig den
Atem ob der gesteigerten Turbulenz und Virulenz all dieser Gedanken und Bilder. Doch der auch in
Mathematik, Physik, Informationstheorie und Sozialwissenschaften bewanderte „Jungmeister“ wird - um
im hier literarischen Bild zu bleiben - , der Geister, die er rief, am Schluss souverän Herr.
Überzeugen Sie sich selbst!